125er Einsteigerin

von Brigitta Leibundgut

Bezüglich der 125er Führerscheinregelung gibt es viele Kommentare. Mal positive - da gibt es z.B. ganz liberale Leute, die wollen, daß ausnahmslos alle Klasse 3-Inhaber 125er bewegen dürfen -, aber sehr viel öfter negative, die meisten halten es schlicht für unverantwortlich, Autofahrer einfach so auf Motorräder zu lassen. Allerdings sind dies seltsamerweise nur Klasse l-Inhaber. Noch nie habe ich etwas von einem 125er-Fahrer gesehen/gehört/gelesen.

Okay, inzwischen bin ich auch für ein paar gesetzlich verordnete Fahrstunden, um jenen Autofahrern, die an Selbstüberschätzung leiden, ihre Grenzen zu zeigen. Aber Argumente, wie "Autofahrer haben keine Ahnung von der Fahrphysik eines Einspurfahrzeugs" halte ich für total überzogen. Ganz davon abgesehen, daß ein Fahrrad ja auch ein Einspurfahrzeug ist, haben die meisten Leute, die jetzt eine 125er fahren dürfen, ihren Führerschein zu einer Zeit gemacht, als Klasse 4 noch fester Bestandteil von Klasse 3 war. Damals fuhren viele mit Mokicks durch die Gegend, die kaum langsamer waren als heute die 125er und so manch eines davon war frisiert. Egal, was soll das Diskutieren, das Gesetz ist da und wird auch weiter ausgenutzt werden. Ich möchte einfach mal erzählen, wie es ist, das Motorradfahren lernen so (fast) ganz ohne Fahrlehrer.

Brigitta mit Honda Rebel Mitte September ‚96 bestellte ich meine Honda Rebel. Anfang Oktober war sie da, konnte aber noch nicht zugelassen werden, da mangels Bescheinigung, daß die Maschine der geltenden Abgasverordnung entspricht, keine Betriebserlaubnis ausgestellt werden konnte. Ich muß dem Händler mächtig auf den Geist gegangen sein, so oft, wie ich dort auftauchte.

Mitte Oktober, es sollte endlich so weit sein, kam Lutz mit, ein Kumpel von mir und "echter" Motorradfahrer, Die Maschine war immer noch nicht zugelassen! Diesmal bekam ich erst einmal ein Mokick geliehen, das da zugelassen im Verkaufsraum stand. Ich sollte wenigstens schon mal das Schalten lernen können.
Furchtbares Ding, 1,7 PS, Höchstgeschwindigkeit 50 km/h, aber fünf Gänge, dafür sah sie aber aus wie ‚ne Große". Lutz guckte ziemlich verzweifelt auf das Ding, zog seine Jacke an, Helm auf, "hoffentlich sieht mich jetzt keiner", dann fuhren wir los.

Zu Hause war ich erstmal alleine. Was hatte Lutz gesagt? Kupplung langsam kommen lassen, dann Gas geben. Gas geben? Abgewürgt! Also wieder starten, nächster Versuch. Irgendwie schaffte ich es, ein paar Mal auf der Straße hin und her zu fahren. Trotzdem, das war's nicht. "Ich muß zu Lutz!" Anrufen? Hatte keinen Sinn, ich wußte, daß er auf der Straße stand und an seiner eigenen Maschine bastelte. Also los, links rum und an die erste Kreuzung. Super, die Kurve gekriegt, ohne gegen ein Auto zu fahren. Die Ampel wurde grün, Kupplung kommen lassen - aus. Wieder starten, die Ampel war rot.

So ging das eine ganze Weile. Hinter mir kamen zwei Motorradfahrer, die auch über die Kreuzung wollten (peinlich!), ich bat sie per Handzeichen, vorbeizufahren.Irgendwann (Stunden später) kam ich endlich weiter, und dann hatte ich Glück, ich brauchte nicht mehr anhalten.

Lutz guckte hoch, als ich kam: "das geht ja schon richtig gut." - "Denkst Du." Die Zeit, die ich auf ihn warten mußte, erschien mir wie eine Gnadenfrist. Wir fuhren zum Uni-Parkplatz (er das Kick, ich sein Auto), wo wir ca. eine Stunde Unterricht machten: Anfahren, Schalten, Slalom fahren.
Auf dem Rückweg fuhr ich selber. Ich fühlte mich schon viel sicherer, da Lutz mich mit seinem Auto vom übrigen Verkehr abschirmte. Vor seiner Haustür gab es noch ein paar Korrekturen: "Du fährst ein bißchen Zickzack, das kann gefährlich werden, du mußt richtig geradeaus fahren. Außerdem darfst du nicht ganz rechts fahren, du bist ein vollwertiger Verkehrsteilnehmer, du mußt in die Mitte der Fahrbahn, damit die Autofahrer sich nicht an dir vorbeiquetschen können." - "Okay."

Zwei Wochen fuhr ich das Kick, dann bekam ich endlich meine Rebel. Zuerst die Einweisung: "das hier ist der Choke." Super, endlich vorbei mit der Fummelei irgendwo zwischen Sitzbank und Motor - "um den Blinker auszumachen, mußt du hier drücken." Auch gut, bei dem Kick ging das nur mit zurückschieben, und da hatte ich oft, ohne es zu merken, den Schieber zu weit rübergedrückt. Nun noch eine Anleitung für's Tanken, dann fuhr ich los. Ich war total nervös. Mitten auf einer belebten Straße, ein LKW-Fahrer hatte mich vorgelassen, würgte ich sie dreimal ab (entschuldigung!), danach nie wieder. Ich hatte Spätschicht, fuhr direkt zur Arbeit. Auf dem Weg nach Hause war ich in einem Kreisel viel zu langsam, ein Autofahrer drängelte sich vor, als ich rechts rüber mußte. Dann gab ich Vollgas (bei dem Kick mußte das sein, um im Verkehrsfluß überhaupt mitzukommen).

Das Ding wurde immer schneller, bei ca. 70 km/h hob mein Helm ab (der war wirklich viel zu groß, den hat jetzt mein Sohn, dem paßt er), und ich kriegte einen Geschwindigkeitsschock. Gas weg! Ich nutzte den Winter zum Fahrenlernen, fuhr nie lange und weit, aber so oft wie möglich. Schnell gewöhnte ich mich an die Maschine und an immer höhere Geschwindigkeiten. Mit Fahrlehrer und gezieltem Unterricht wäre es bestimmt viel schneller gegangen, aber ohne konnte ich selbst entscheiden, wann ich fahre und wie, ich konnte mich nach dem Wetter und meiner eigenen Verfassung richten, statt nach festen Terminen. Trotzdem bin ich heute der Meinung, daß ein bißchen Sicherheitstraining, sogenannte fahrschulmäßige Grundfahrübungen, angebracht gewesen wären.

Einmal legte ich mich auch lang, ich mußte sehr scharf nach rechts abbiegen, die Straße voller Metallplättchen, und ein Fußgänger, der bei "rot" über die Straße ging. Das Bremsen kam nicht gut, eh ich mich versah, lag ich auf der rechten Seite. Während ich wieder aufstand, hielt ich die Kupplung gezogen, der erste Gang war noch drin, die Maschine lief noch, also, wieder draufsetzen, Gas geben. Die Fußraste klappte ich während der Fahrt wieder runter, und den rechten Lenkeraufbau (Spiegel, Start- und Killschalter, Bremsflüssigkeitsbehälter) rückte ich später zu Hause wieder an die richtige Stelle. Als es dann endlich wärmer wurde, hatte ich plötzlich keine Probleme mehr damit, weitere Strecken zu fahren und nach meiner ersten Tour mit einer Freundin und ihrem Mann nach Wildeshausen wurden mir meine Kurzstrecken viel zu unbefriedigend.

Meine erste Saison war gleich ein voller Einstieg. Erst machte ich noch eine Tour mit ein paar Arbeitskollegen nach Tossens, dann schloß ich mich einer größeren Gruppe an. Oft fuhren wir ganz spontan los, z.B. zum Eiscafe oder einfach nur so, ein paar Mal geplant übers Wochenende zu MC-Treffen. Und alles mit einer 125er, zwischen lauter großen, viel stärkeren Maschinen. Es ging richtig gut, die anderen haben mich voll akzeptiert und mir gezeigt, wie das mit meinem Mini-Maschinchen funktioniert. Trotzdem war's auch übel, ich war ein Bremsklotz. Einmal hing ich auf der Autobahn hinter einem Wohnmobil fest, weil, der fuhr ca. 90 km/h, und wenn ich den hätte überholen wollen, und der hätte nur wenig beschleunigt, wäre ich nicht mehr vorbei gekommen, und hinter mir hatte ich 15 Motorräder, zwei Autos und drei Trikes.

Yamaha XV 1100 Virago Seit Mitte September habe ich Klasse l a, seit Oktober fahre ich eine Yamaha XV 1100 Virago. Was für ein Unterschied! Inzwischen habe ich meine erste Tour mit der "Großen" hinter mir und freue mich auf meine zweite Saison.

Brigitta Leibundgut